Das Verwaltungsgericht Leipzig hat in einem von uns geführten Verfahren mit Beschluss vom 27.06.2024 die aufschiebende Wirkung der Klage unseres Mandanten gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge angeordnet. Dieser hatte im Mai 2024 Asyl beantragt und angegeben, afghanischer Staatsangehöriger zu sein. Er begründete seinen Antrag mit familiären Problemen in Afghanistan, insbesondere Konflikten mit der Familie seiner Ehefrau, die seine Eheschließung nicht akzeptierte. Das Bundesamt lehnte den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab und forderte ihn zur Ausreise auf.
Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage unsers Mandanten gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge angeordnet. Diese Entscheidung beruht auf mehreren festgestellten Mängeln in der Begründung des Bescheids, der den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ablehnte. Die wesentlichen Punkte, warum die Begründung des Bundesamtes als unzureichend und nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend eingestuft wurde, sind wie folgt:
1. Fehlende Differenzierung und Substantiierung
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers pauschal als offensichtlich unbegründet abgelehnt, ohne die erforderliche detaillierte Prüfung und Begründung vorzunehmen. Die Ablehnung basierte auf einer oberflächlichen Zitierung des Gesetzeswortlauts von § 30 Abs. 1 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG), ohne konkret darzulegen, warum die vorgebrachten Umstände für die Prüfung des Asylantrags nicht relevant seien. Eine solche Vorgehensweise genügt nicht den Anforderungen an die Ablehnung als offensichtlich unbegründet, da jede Ablehnung individuell begründet werden muss.
2. Rechtsfehlerhafte Anwendung der Asylverfahrensrichtlinie
Die Anwendung der Asylverfahrensrichtlinie (Art. 31 Abs. 8 lit. a) AsylVerfRL) durch das Bundesamt war fehlerhaft. Die Richtlinie sieht vor, dass ein Antrag als offensichtlich unbegründet nur abgelehnt werden kann, wenn die vorgebrachten Umstände für die Anerkennung als Flüchtling oder schutzbedürftige Person irrelevant sind. Das Bundesamt hat jedoch nicht konkretisiert, welche der vorgetragenen Umstände des Antragstellers als irrelevant betrachtet wurden und warum.
3. Unzureichende Berücksichtigung der individuellen Fluchtgründe
Der Antragsteller hat spezifische individuelle Fluchtgründe geltend gemacht, insbesondere die Verfolgung durch die Familie seiner Ehefrau aufgrund der gegen die Traditionen verstoßenden Eheschließung. Das Bundesamt hat diese individuellen Gründe nicht ausreichend gewürdigt und pauschal als unbegründet abgetan, ohne die Gefahr einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure in Afghanistan zu berücksichtigen.
4. Mangelhafte Anhörung und Dokumentation
Die sprachliche Qualität und Klarheit der Anhörungsprotokolle war unzureichend. Die Protokolle wiesen sprachliche Fehler auf, die eine klare und vollständige Darstellung der Aussagen des Antragstellers verhinderten. Dadurch konnten die tatsächlichen Umstände und die Glaubwürdigkeit der Angaben des Antragstellers nicht angemessen bewertet werden.
5. Fehlende Prüfung auf subsidiären Schutz
Das Bundesamt hat den Antrag auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG ebenfalls als offensichtlich unbegründet abgelehnt, ohne ausreichend zu prüfen, ob dem Antragsteller bei Rückkehr nach Afghanistan ernsthafter Schaden droht. Insbesondere wurde die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung aufgrund der familiären Konflikte nicht hinreichend untersucht.
6. Unzureichende Auseinandersetzung mit der Beweislast
Das Gericht stellte fest, dass die Darstellung des Bundesamtes, der Antragsteller sei nicht verfolgt worden, unplausibel war. Der Antragsteller hatte plausibel erklärt, dass er sich aufgrund der Bedrohung durch die Familie seiner Ehefrau versteckt hielt. Das Bundesamt ging jedoch nicht angemessen auf diese Erklärungen ein und ignorierte die Möglichkeit, dass der Antragsteller tatsächlich einer Bedrohung ausgesetzt sein könnte.
Dieser Beschluss zeigt erneut, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge häufig Asylanträge nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit prüft. Dies führt zu fehlerhaften Ablehnungen, die für die Betroffenen gravierende Konsequenzen haben können. Es ist daher von enormer Bedeutung, derarige Entscheidungen genau zu prüfen und gegebenenfalls gerichtlich dagegen vorzugehen. Wenn Sie oder Ihre Angehörigen von einer ähnlichen Situation betroffen sind, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.