Einseitige Berichterstattung über „Scheinvaterschaften“

Am 22.02.2024 wurde auf tagesschau.de ein Artikel „Das Geschäftsmodell der Scheinväter“ (https://www.tagesschau.de/investigativ/rbb/missbrauch-vaterschaftsanerkennung-100.html) veröffentlicht, in dem inhaltlich auf eine Sendung des Politikmagazins Kontraste vom 22.02.2024 Bezug genommen wurde.

Der Artikel thematisiert, dass es in Deutschland eine Vielzahl von sog. Scheinvaterschaften gebe, dass also (deutsche) Männer die Vaterschaft von nichtdeutschen Kindern anerkennen, um so den Kindern und/oder den Müttern eine Aufenthaltsperspektive zu eröffnen. Eine Scheinvaterschaft sei es aber deswegen, weil oftmals gar keine Beziehung zwischen den Kindern und dem Vater bestehe. Die Beurkundungen seien jedoch nicht mehr aufzuheben. Der Artikel suggeriert, es gäbe keine rechtliche Handhabe der Behörden gegen solche Fälle vorzugehen.

Beispielhaft wird der Fall eines deutschen Mannes aufgezeigt, der die Vaterschaft von 24 Kindern anerkannt habe und sich als mittellos darstelle. Auf Social Media gebe er sich allerdings als wohlhabend aus. Im Artikel wird ausgeführt, dass anerkennende Väter häufig Geld für die Anerkennung erhalten würden. Die Väter würden dabei auch weiterhin Sozialleistungen beziehen, wodurch dem Staat erhebliche Kosten entstünden.

Aus migrationsrechtlicher Praxis sind einige Anmerkungen zu dem Artikel notwendig, da die Rechtslage unzureichend dargestellt wird. Die Anmerkungen sind notwendig, da durch den Artikel der falsche Eindruck entsteht, dass es einen rechtsfreien Raum gebe, der schamlos ausgenutzt werden könnte.

Der Artikel vermischt zwei rechtliche Ebenen: eine familienrechtliche Ebene einerseits und eine aufenthaltsrechtliche andererseits.

Unabhängig von der Frage, ob aus familienrechtlicher Perspektive, einmal erklärte Vaterschaftsanerkennungen aufgehoben oder angefochten werden, trifft es schlicht nicht zu, dass eine Vaterschaftsanerkennung unmittelbar zu einem Aufenthaltsrecht für die Kinder oder für die Mutter eines Kindes führt. Denn nach § 27 AufenthG, der die Grundnorm für Aufenthaltstitel nach dem 6. Abschnitt des AufenthG darstellt, ist die „Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft“ Sinn und Zweck eines Aufenthaltstitels nach dem 6. Abschnitt. Dementsprechend wird von Ausländerbehörden auch eben das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft geprüft. Insofern verwundert es sehr, dass der ehemalige Richter am BVerwG derart zitiert wird, als gäbe es dieses Erfordernis nicht.

Ein Aufenthaltstitel wird also nicht erteilt, wenn die Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft nicht glaubhaft gemacht wird. Dies wird durch die Ausländerbehörden auch rigoros geprüft. Gerade in Patchwork-Konstellationen, ist regelmäßig ein erheblicher Begründungsaufwand erforderlich, da – aus unserer Erfahrung – solchen familiären Konstellationen, die nicht dem klassischen Familienbild (Vater, Mutter, Kind) entsprechen, sehr skeptisch gegenüberstehen.

Weiter im Text wird ausgeführt, dass das Land Nordrhein-Westphalen im Jahr 2017 mit einem Gesetzesentwurf gescheitert sei, das Ausländerbehörden zur Kontrolle verpflichtet werden sollen, wenn durch die Vaterschaftsanerkennung das Aufenthaltsrecht der Mütter legalisiert werden soll. Dass in diesem Zusammenhang die Vorschriften der § 1597a BGB und § 85a AufenthG nicht erwähnt wurden, ist im besten Falle schlecht recherchiert. Denn die benannten Normen regeln eben diesen Umgang mit Sachverhalt, bei denen der Verdacht einer missbräuchlichen Vaterschaft im Raum steht.

In § 1597a BGB Abs. 1 führt explizit aus: „Die Vaterschaft darf nicht gezielt gerade zu dem Zweck anerkannt werden, die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter zu schaffen, auch nicht, um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Absatz 1 oder Absatz 3 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu schaffen (missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft).“

In Abs. 2 werden spezifische Gründe genannt, wann Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung vorliegen soll, bspw. auch wenn bei Mutter oder Kind eine vollziehbare Ausreisepflicht besteht, vgl. § 1597a Abs. 2 Nr. 1 BGB, oder wenn eine persönliche Beziehung zwischen anerkennendem Vater und Kind nicht besteht.

Wenn die beurkundende Stelle Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung feststellt, ist das Anerkennungsverfahren auszusetzen; die örtlich zuständige Ausländerbehörde soll im weiteren dann über das vorliegen einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung entscheiden.

Das im Artikel suggerierte Fehlen eines Rechtsrahmens für den Umgang mit vermeintlich missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen ist schlicht falsch. Die benannten Normen bereiten in der Praxis in vielen Fällen erhebliche rechtliche Probleme für die Betroffenen, weil gerade Ausländerbehörden ausländischen Familien sehr skeptisch gegenübertreten. Insbesondere in „Patchwork“-Konstellationen kann dies zu erheblichen Problemen führen.

Dass Personen, die familiäre Bindungen in Deutschland haben, auch ein Aufenthaltsrecht erteilt wird, ist aus unserer Sicht nicht nur unproblematisch, sondern auch richtig. Ob missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen ein tatsächlich flächendeckendes Problem sind, kann empirisch nicht beurteilt werden. Dass es allerdings hier einen dringenden gesetzlichen Nachholbedarf gibt, wie der Artikel darstellt, trifft schlicht nicht zu. Die Darstellungen im benannten Artikel sind unvollständig und führen zu einem fehlerhaft reißerischen Bild.