EU‑Richtlinie 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung samt Anpassung des § 99 StGB

Dieser Artikel erläutert die Kerninhalte des Referentenentwurfs (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RefE/RefE_Umsetzung_RL_Terrorismusbekaempfung_2025.pdf?__blob=publicationFile&v=4) zur Umsetzung der EU‑Richtlinie 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung samt Anpassung des § 99 StGB und ordnet zentrale Kritikpunkte für die strafrechtliche Praxis ein. 

Überblick
Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums soll unionsrechtliche Vorgaben umsetzen und zugleich das Staatsschutzstrafrecht in Deutschland schärfen, insbesondere bei vorbereitenden Handlungen und Terrorismusfinanzierung. Ziel ist es, von der EU gerügte Umsetzungsdefizite zu schließen und Strafbarkeitslücken im Vorfeld terroristischer Anschläge zu reduzieren (https://verfassungsblog.de/flucht-nach-vorne/). Zugleich soll der Strafrahmen der geheimdienstlichen Agententätigkeit in § 99 StGB erhöht werden, um die Praxis an die aktuelle Bedrohungslage anzupassen. 

Wichtigste Änderungen
Der Entwurf präzisiert in § 89a StGB‑E den Begriff der „terroristischen Straftat“ durch einen Katalogbezug und erweitert die Vorfeldstrafbarkeit, etwa um die Einreise nach Deutschland in terroristischer Absicht. Neu sind eine ausdrückliche Versuchsstrafbarkeit bei wesentlichen Vorbereitungshandlungen sowie die Pönalisierung der versuchten Anstiftung zu terroristischen Straftaten. § 89c StGB‑E weitet den Tatbestand der Terrorismusfinanzierung aus und führt eine Versuchsstrafbarkeit ein, um Art. 11 und Art. 14 Abs. 3 der EU‑Richtlinie zu entsprechen. 

Hintergrund EU‑Druck
Die Europäische Kommission hatte Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der Richtlinie 2017/541 gerügt und Schritte im Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, was den Reformdruck maßgeblich erhöht. Bereits in der Vorperiode waren inhaltlich ähnliche Anpassungen diskutiert worden, die aber der Diskontinuität unterfielen. Der aktuelle Entwurf dient damit vorrangig der unionsrechtskonformen Nachbesserung und der Vermeidung eines förmlichen Verfahrens. 

Kritikpunkte
Zu kritisieren ist vor allem die weitere Vorverlagerung der Strafbarkeit und die flächendeckende Kriminalisierung von Versuchskonstellationen und vorbereitenden Handlungen, die mit der deutschen Strafrechtsdogmatik kollidieren könnten. Rechtswissenschaftliche Stellungnahmen sehen Risiken für Bestimmtheit, Verhältnismäßigkeit und eine Ausweitung in Bereiche bloß möglicher Gefährdungen, während Strafverfolgungsbehörden die Schließung von vermeintlichen Ermittlungs‑ und Verfolgungslücken begrüßen. Zudem wird moniert, der Entwurf gehe teils über unionsrechtlich zwingende Vorgaben hinaus, statt sich strikt auf das rechtlich Erforderliche zu beschränken. 

Auswirkungen für die Praxis
Für Ermittlungen bedeutet die erweiterte Vorfeldstrafbarkeit eine frühere Anknüpfung für Maßnahmen, aber auch steigende Fallzahlen und erhöhten Begründungs‑ und Prüfungsaufwand bei der Gefahren‑ und Zielsetzungsbeurteilung. Verteidigungsstrategien müssen die Anforderungen an die „terroristische Zielsetzung“, die Festentschlossenheit sowie die Abgrenzung typischer Vorbereitungshandlungen zur straflosen Sphäre präzise adressieren. Im Bereich § 99 StGB ist mit spürbaren Strafzumessungsverschiebungen und einer stärkeren Aufwertung nachrichtendienstlicher Bedrohungslagen zu rechnen. 

Einordnung aus Verteidigungssicht
Aus Sicht der Strafverteidigung ist eine sorgfältige Kontrolle der Tatbestandsbestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit im Vorfeld zentral, um Überdehnungen von Versuch und Vorbereitung wirksam zu begegnen. Verteidigungsschwerpunkte lägen sodann auf der Prüfung der subjektiven Elemente wie „terroristische Zielsetzung“ und „fest entschlossen“ sowie auf der unionsrechtlich zwingenden Reichweite der Umsetzung, um überschießende Pönalisierungen anzugreifen. Gleichzeitig sind Compliance‑ und Präventionskonzepte für sensible Handlungen, Transaktionen und Reisen anzupassen, um unbeabsichtigte Strafbarkeitsrisiken zu minimieren.